Es kommt ein Wetter
29. Juni 2019
Es ist Montag morgen. Für mich ist dieser Tag quasi, wie ein Sonntag. Ein freier Tag, an dem ich Alles erledigen kann, das über die Woche liegen geblieben ist. Also steige ich auf meine blaue Diva, die alte Vespa und arbeite die To Do Liste ab, die mir Heidi aufgeschrieben hat.
Erste Station ist die Tankstelle, Luft nachfüllen. Dort angekommen werde ich von einem älteren Herrn angesprochen: „Sie sind aber mutig heute mit dem Roller unterwegs zu sein.“ Ich wundere mich, denn es ist strahlender Sonnenschein. Ich muss gestehen, dass ich mich nicht wirklich für das kommende Wetter interessiere. „Wieso?“ erwidere ich. „Da kommt bestimmt noch ein Wetter heute.“ Sagt der Herr. Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Spruch schon gehört habe. Ein bisschen verunsichert mich diese Aussage aber doch und ich wage einen Blick in meine Mobiltelefon Applikation: Starkregen und Hagel.
Ich schlussfolgere daher, dass der Satz: „Heute kommt ein Wetter.“ Mit großer Wahrscheinlichkeit schlechtes Wetter suggeriert. Denn wir Deutschen lieben es, uns mit dem schlechten Wetter auseinanderzusetzen. Wobei „schlecht“ nicht unbedingt Regen und Hagel heißen muss. Ab dreißig Grad wird aus einem wunderschönen Hochsommertag gleich eine furchtbare Hitze, die kaum zum Aushalten ist. Wie Petrus das Wetter auch macht, es passt uns selten in den Kram. Da kann ich seine Stimmungsschwankungen schon verstehen. Ein Lieblingshobby der Deutschen: Wetternörgeln. Ich weiß, früher gab´s noch Hitzefrei, das Schwimmbad war schon auf im Mai und so weiter. Ich glaube Rudi Carel wusste damals schon, dass dieses Lied zeitlos sein wird und auch 44 Jahre später gerne zitiert wird.
Ich fahre weiter zu dem Bio-Metzger meines Vertrauens. Mittlerweile ist es 10 Uhr und es hat bereits 22 Grad. Ich liebe diesen Sommer Fahrtwind, der in schattigen Kurven Gänsehaut verursacht und ganz plötzlich wieder in der Sonne ein warmes, angenehmes Gefühl gibt. Die Fliegen und Mücken sind auch schon fleißig dabei, sich in allen Öffnungen, die mein Helm nicht bedeckt zu platzieren.
In der Metzgerei angekommen, halte ich wie immer ein kleines Schwätzchen mit der Fleischwarenfachverkäuferin Erika. Das ist eben der Vorteil an einer kleinen Metzgerei. Der Kunde wird mit der Zeit zum Freund und man tauscht seine Sorgen aus. „Wissen Sie Herr Schnitzer, heute soll es 35 Grad werden.“ Ich erwidere, wie ich es bei solchen inhaltslosen Sätzen immer tue, mit nichts aussagenden Worten: „Ja, 35 Grad.“ „35 Grad.“ Wiederholt die Verkäuferin. Ich wunder mich, wie sehr sich Menschen mit einer Zahl beschäftigen können. Ich versuche eine neue Zahl ins Spiel zu bringen: „Vielleicht werden es sogar 37 Grad.“ „Furchtbar! Diese Hitze.“ Während Sie mir ein paar gerauchte Rindsbratwürste einpackt, steigern wir uns sogar auf 40 Grad. Beim Abwiegen des Aufschnitts, kommt dann noch der immer gerne verwendete Klimawandel auf die Waage. Und wenn dieser das Gemüt der Verkäuferin nicht schon genug anheizt, so wettert sie beim Abschneiden der Rinderhüfte noch gegen die bösen Diesel Fahrzeuge. Da habe ich ja Glück, dass meine Vespa ein Benziner ist. Erikas Stimmung ist angeheizt. Ich bezahle und plötzlich wird ihre gereizte Laune wie auf Knopfdruck auf feinste Kundenfreundlichkeit umgestellt.
Ich fahre weiter und mir wird bewusst, dass sich viele Menschen allzu gerne mit dem Wetter beschäftigen. Wir müssen uns aber doch mit dem Wetter arrangieren, anstatt sinnlos Gedanken darauf zu verschwenden, uns darüber aufzuregen. Ändern können wir es ohnehin nicht. Lasst uns die Energie für die wirklich wichtigen Aufreger-Themen sparen. Und wenn dir gerade keine einfallen, dann genieße den Moment, wenn mal Alles gut ist. Beim Wetter sind wir machtlos und das ist gut so. Schenken wir der Natur einfach unser Vertrauen, denn die weiß schon, was sie da tut.
Ich spüre den ersten Tropfen auf meiner Haut. Dicke Tropfen, die sich bei Fahrtwind sich wie leichter Hagel anfühlen. Der alte Herr an der Tanke hatte Recht. Es kommt ein Wetter.