Ich kann mich noch gut erinnern, als ich als kleiner Bub im Blumenladen meiner Mutter stand und die Männer beobachtete, wie sie eine Rose nach der anderen kauften. Doch Valentinstag war vorbei und ich wunderte mich, warum die ganze Zeit so viele Blumen über die Ladentheke gingen. Weltfrauentag.
Natürlich begriff ich damals nicht, warum es diesen Tag wirklich gibt. Zirka 25 Jahre und mehrere Beziehungen später ist mir bewusst, dass es am 8. März nicht um Rosen und Geschenke geht. Wobei unsere konsumgeile Gesellschaft es immer wieder schafft, ein ernstes Thema so zu modifizieren, dass der Kern in den Hintergrund tritt oder gar verschwindet. Dabei ist es vor allem der Tag der Frauenrechte. Und da sollte kein Drogeriemarkt 25% Prozent Rabatt auf Putz- und Waschmittel als Werbeaufhänger propagieren. Es geht auch nicht darum, dass Frauen bei Durftkerzenschein Sekt trinken, sich die Beine rasieren und mit Blumen überhäufen lassen. Wir erleben jedes Jahr dieses peinliche Gender Marketing für das ich mich auch als Mann schäme. Vielmehr sollte jede Frau ihren Blumenstrauß lieber für Lohngerechtigkeit und Gleichberechtigung eintauschen. Ich bin gespannt, welche Politikerin sich dieses Jahr wieder medienwirksam in einem männerdomininierten Beruf filmen lässt. Wird Julia Klöckler im schicken Kettenhemd als Metzgerin Schweine zerlegen? Oder wird Franziska Giffey, unsere Familienministerin, dieses Jahr auf einer Teermaschine sitzen, anstelle die Mülltonnen zu leeren? Vielleicht kämpft sich Angela Merkel bei epischer Musik durch lodernde Flammen mit Feuerwehrhelm und Schutzanzug? Wir dürfen gespannt sein.
Man(n) gratuliert auch nicht zum Weltfrauentag. „Ich gratuliere Dir, Petra, dass dein Geschlecht immer noch benachteiligt ist.“ Auf die Reaktion wäre ich gespannt.
Dass Frauen schlechter bezahlt werden, als Männer ist Fakt und zeigt das geschlechtsspezifische Lohngefälle oder etwas hipper ausgedrückt: Der Gender Pay Gap. Hier wird ein realer Unterschied von 21% aufgeführt. Natürlich arbeiten Frauen öfters in Teilzeit oder geringer bezahlten Berufen als Männer. Meist bleibt der Frau als Mutter aber auch keine andere Wahl. Aber genau diese „Sorgearbeit“ muss besser vergütet werden. Dann wären wir im internationalen Vergleich vielleicht nicht mehr im Mittelfeld.
Der Weltfrauentag ist also nicht nur ein verstaubter Gedenktag an das Frauenwahlrecht. Es ist der Tag, an dem uns klar werden muss, dass Gleichberechtigung noch lange nicht in unserem Land angekommen ist. Im Gegenteil. Der Rechtspopulismus propagiert sogar, dass die Geschlechterverhältnisse von Natur aus gegeben sind und das steinzeitliche „Frau an den Herd Weltbild“ wiederhergestellt werden sollte. Ein Grund mehr, sich zu versammeln und Flagge zu zeigen, damit „gleiches Recht für alle“ auch umgesetzt wird.
Und so hat Berlin den Weltfrauentag zu einem Feiertag erklärt. Dann haben auch wir Männer etwas vom Weltfrauentag. Gut, der 8. März 2020 ist so und so ein Sonntag, aber egal. Ein weiteres Zeichen für Gleichberechtigung ist gesetzt. Und keine Sorge Jungs: Das „Weltmännerjahr“ wird ab Montag wieder planmäßig fortgesetzt.