Geht es Euch auch so, dass so langsam aber sicher der Zenit erreicht ist? Habt Ihr wie ich das Verlangen danach ganz laut: „Jetzt ist aber gut!“ zu schreien? Monate langes Ausharren, Abwarten, Aussetzen kann einem ganz tief an die Substanz gehen. Mein Innerstes fühlt sich die letzten Tage an, wie ein Fertiginstantpudding. Farb-, geschmacklos und unnatürlich. Mein Dasein wabbelt von einem Tag zum anderen mit dem Wissen, dass ich durchhalten muss, aber nicht mehr lange kann. Das menschliche Kontaktaufnehmen hat sich vom Physischen zum digitalen gewandelt und so sehr ich mir auch einrede, dass das „gar nicht so schlimm“ sei, so sehr vermisse ich die Berührungen anderer Menschen mehr, als ich es mir vorgestellt hatte. Ein Händeschütteln oder eine freundschaftliche Umarmung. Irgendetwas Körperliches würde mir schon genügen, sei es vor der Pandemie noch so klein und unbedeutend gewesen. Jetzt wäre eine Berührung von größter Bedeutung und Wichtigkeit für mich. Und obwohl ich eine wundervolle Heidi an meiner Seite habe, die ich tagtäglich berühren kann und darf, misse ich die anderen Kontakte so sehr. Ist es nicht paradox, dass sich ein sanftes Oberarmstreicheln bei einem Freund schon fast ungewohnt anfühlt? Beinahe fremd scheint jede Art von Kontakt zu sein. Wenn dieser Spuk einigermaßen vorbei ist, weiß ich jetzt schon, was das Erste sein wird, was tue: Ich stelle mich auf den Villinger Latschariplatz mit einem Schild: „kostenlose Umarmungen“.
Und das Fehlen von physischem Kontakt ist ja nicht Alles, was mich in den letzten Tagen in den Wahnsinn treibt. Es ist diese Zermürbtheit, die sich in mir breit macht. Gefolgt von Sinnlosigkeit und Fäule. Vielleicht ist meine Fantasie das Letzte, was mich aus diesem Strudel wieder herauskatapultieren kann. Und so stellt sich mein Wackelpuddinghirn gerade vor, dass wir, sei es unrealistisch oder nicht, die Pandemie endlich besiegt haben. Die Menschen strömen auf die Straßen und umarmen sich, als wären alle gemeinsam Fussballweltmeister. Ein zweites Woodstock Festival, das über mehrere Monate abgehalten wird, findet in jedem Land statt. Die Künstler und die Tontechniker werden von der Lebensmittel- und Pharmaindustrie mit horrenden Gagen geradezu überschüttet, wodurch der Eintritt für jeden frei ist. Gastronomen kommen mit der Versorgung der Festivalbesucher an Ihre Grenzen und die Hotelzimmer sind doppelt belegt. Macht ja auch nichts, denn die „freie Liebe“ ist wieder salonfähig und man teilt sich eben zu viert, ach was sag ich, zu sechst ein Doppelzimmer. Zu jeder Corona-Impfung, die man am Festivaleingang bekommt, reicht die Krankenschwester einen Hasch-Cookie. Die Stimmung ist bunt und friedlich. Plötzlich ertönt ein nerviger Klingelton. Mein Handy. Eine Erinnerung: „Online-Meeting in 5 Minuten.“ Leb wohl, du Fantasie.