Ihr kennt bestimmt auch den Moment, in den ihr Euch für etwas rechtfertigen sollt, für das es keinen Sinn gibt sich zu rechtfertigen. „Ich trink nur ´ne Limo.“ Und schon wird man gelöchert mit Fragen wie: „Warum?“ oder „Bist du schwanger?“ Gesellschaftlich verwurzelt und in unseren Köpfen als „normal“ gespeichert sitzt er, der Alkohol, und wartet nur darauf die nicht alkoholischen Momente sofort in Frage zu stellen. Seit längerer Zeit frage ich mich, warum diese Droge immer noch so offen toleriert wird. Natürlich bin ich selbst kein Kind von Traurigkeit, wenn es um feucht, fröhlich Feste geht. Kennt man ja, den kürzesten Musiker Witz: „Gehen zwei Musiker an ´ner Kneipe vorbei.“ Und dennoch gibt es Tage, da will man einfach nichts Gegorenes oder Gebranntes in sich hineinschütten. Da will man klar bleiben oder hat einfach keine Lust darauf. Und trotzdem findet man in Deutschland dafür selten Akzeptanz. Ich war erschüttert, als ich bei der WHO las, dass weltweit alle 10 Sekunden ein Mensch an den Folgen von Alkoholkonsum stirbt. Nur zwei Sekunden mehr, als bei Rauchern. Und dennoch wird die psychoaktive Substanz Alkohol in unserer Gesellschaft als „soziales Schmiermittel, das locker und lustig machen soll,“ anerkannt. Da stehen namhafte Politiker medienwirksam beim Fassanstich in einer Reihe und heben den Humpen in die Höhe. Der Schein trügt, denn das Gebräu, das in Deutschland auf Platz eins steht, ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass bis zu 600 Alkoholvergiftungen in zwei Wochen beim Münchner Oktoberfest im Krankenhaus landen. Doch das stört den deutschen Trinker nicht, Bier ist ja gar kein Alkohol.
Dafür wird auch ganz legal an jeder Ecke Werbung gemacht. Denn Alkohol vernebelt dein Bewusstsein nicht. Nein. Er gibt dir Freiheit, Freude und Zusammenhalt. Wer trinkt hat Freunde und ist sozial verträglich. Suggeriert uns die Werbeindustrie und wird nie ein auf dem Boden liegendes Schnapsopfer auf ein Werbeplakat drucken. Lieber gesunde und gutaussehende Menschen, die in der Natur den Hopfensaft genießen.
Auch bei Sportveranstaltungen stehen meist Bierproduzenten als Sponsoren an erster Stelle. Aber Warum? Ich stelle mir gerade vor, wie das nächste Fußball Spiel von einem Schnapshersteller präsentiert wird. „Brennt in der Kehle, nicht in den Waden“ Wäre vielleicht ein passender Werbespruch. Doch die Bierwelt lenkt ein und macht neuerdings Werbung mit alkoholfreiem Bier. Für mich nicht genug. Denn es ist ja immer noch Bierwerbung. Wie wäre es denn mit Müsli-, Milch- oder Saftprodukten als Sponsor für das nächste Sportevent? Das Zeug eben, das wirklich zum Sport gehört.
Und während ich diesen vermeintlich letzten Satz dieser Kolumne schreibe, nehme ich einen Schluck aus dem Glas Rotwein und merke, dass die Flasche vor mir schon leer ist. Und wieder sehe ich mich gefangen zwischen Vernunft und Abhängigkeit. Denn genau jetzt wird mir am eigenen Leib wieder bewusst, wie gefährlich dieser Stoff ist.